von baumgeistern und bücherwürmern

im netz findet man unzählige anleitungen und inspirationen für bücherregale in der form eines baumes. so vielfältig die verschiedenen variationen auch sein mögen, so haben sie doch eines gemeinsam – bei kaum einer der lösungen ist das wesen des baumes selbst zu spüren. irgendwo zwischen pressspanplatten und rechtwinkelig-kantigem kunstfurnier geht die seele des baumes verloren.

da wir aber etwas besonderes für so etwas besonderes wie unsere bücher suchten, war bald klar, dass wir uns etwas eigenes überlegen mussten.

die idee
je krummer und wilder, desto besser

je krummer und wilder, desto besser

eine der vielen anforderungen an das baumregal war, dass es nicht wie die meisten anderen auf eine rückwand geschraubt werden soll, um stabil zu sein. die wand dahinter sollte sichtbar bleiben.

zum anderen sollen sowohl der stilisierte “stamm“ als auch die “äste“ rustikal wirken und gealtertes holz imitieren.

darüber hinaus sollte es modular erweiterbar sein, da wir im moment nicht am boden beginnen wollten, nachdem unter dem regal zur zeit eine couch steht. sollte diese irgendwann einmal wegkommen, kann der “baum“ dann einfach nach unten – und bei bedarf nach oben – erweitert werden.

kurz zusammengefasst: was wir brauchen, ist
1) jedes element für sich selbsttragend
2) rustikal, die form des baumes visuell als auch haptisch nachbildend. man will den baum auch in den händen fühlen
3) modular aufgebaut und später erweiterbar

 

der stamm
der stamm

baumregal: am anfang war der tram.

der stamm des baumregales wird aus einem holztram gearbeitet. dazu wird er auf die gewünschte länge des entsprechenden teilstückes zugeschnitten. in meinem fall gibt es zwei davon. danach beginnt die eigentliche arbeit: das herausarbeiten der struktur des baumstammes.

ob man dabei oldschool mit stechbeitel und schlegel oder mit winkelschleifer und fächerscheibe arbeitet, ist nicht nur eine frage des geschmackes und der bequemlichkeit, sondern auch eine der immensen staubentwicklung, die mit der arbeit mit dem winkelschleifer einhergeht. also besser im freien arbeiten, dabei unbedingt genügend abstand zu wäsche und anderen dingen halten, die man nicht unter einer massiven staubschicht versinken lassen möchte.

mit stechbeitel oder winkelschleifer wird die grobe struktur des stammes herausgearbeitet.

mit stechbeitel oder winkelschleifer wird die grobe struktur des stammes herausgearbeitet.

egal, wofür man sich entscheidet – in diesem arbeitsschritt wird zuerst die grobe struktur herausgearbeitet. ruhig etwas mutiger sein und wild reinarbeiten in den tram, so wird der stamm so richtig knorrig. nur dort, wo später einmal die regalbretter als äste montiert werden, sollte man den seitlichen abschluss gerade halten, damit man eine gute abstützfläche erhält. die braucht man, da durch die schrägen anfangsstücke der äste ein teil der belastung auf den stamm abgeleitet wird. das entlastet dann auch die regalböden etwas.

hat man die grobe struktur herausgearbeitet, geht es an die feinarbeit. dabei kann man sich die natürliche struktur des holzes zu eigen machen: die unterschiedliche härte von früh- und spätholz führt zu einer rustikal gefurchten oberfläche, wenn man mit einer drahtbürste oder besser mit einer rundbürste, die sich in die bohrmaschine spannen lässt, drüberarbeitet.

spätholz wächst in der vegetationsarmen jahreszeit, in denen der baum mit harten bedingungen zu kämpfen hat, im gegensatz zum weichen und dicker gewachsenen frühholz aus der warmen jahreszeit. jeder kennt die schmalen, dünnen dunklen ringe, dazwischen die hellen, viel breiteren weichen.

das spiel aus früh- und spätholz kann man in schöne details verarbeiten.

das spiel aus früh- und spätholz kann man in schöne details verarbeiten.

wichtig dabei ist, immer in richtung der fasern zu arbeiten. zwischendurch und als abschluss wird mit schleifpapier nachgearbeitet (grob nach fein).

abschließend brauchen wir noch zwei löcher je balken, um die teile in der wand zu verankern. da die schrauben schon massiv sein müssen, wird man dabei auf kantschrauben zurückgreifen. um die in die wand zu drehen, brauchen wir bis in eine tiefe von ca. 2/3 des holzes ein breites loch, in das die nuss der ratsche reinpasst. das erledigt der forstnerbohrer.

jetzt geht’s flott zum nächsten arbeitsschritt, den regalböden.

die äste
material-qual
baumregal: das erste brett wird zurechtgeschliffen.

unbesäumte bretter: umso wilder, deston besser.

der eventuell schwierigste teil am gesamten projekt ist, geeignete unbesäumte (an den seiten nicht beschnittene) bretter zu finden. damit das baumregal auch wirklich an einen wild gewachsenen baum erinnert, sollte man bei der suche nach geeigneten brettern ruhig wählerisch sein und sich zeit nehmen, die richtigen zu finden. ich hatte das glück, einen kleinen stadlfundus ca. 50 jahre gelagerter unbesäumter obstholzbretter auf lager zu haben. hat man keinen guten holzhandel in der nähe, kann man bei (wald)bauern nachfragen oder versucht es auf online-börsen wie willhaben.at und ähnlichen quellen.
wichtig ist, dass sie von natur aus nicht zu breit, dafür aber schön krumm gewachsen sind. astholz ist sehr schön dafür zu verwenden, da die stämme selbst in der regel doch recht gerade gewachsen sind. das holz sollte wirklich gut durchgetrocknet sein, sonst verzieht es sich nachträglich.

beim bürsten wird struktur und charakter des holzes herausgearbeitet.

beim bürsten wird struktur und charakter des holzes herausgearbeitet.

die bretter selbst werden ähnlich bearbeitet wie die stammteile. die ränder mit winkelschleifer in form gebracht, die oberflächen gebürstet und mit schleifpapier nachbearbeitet.

kürzere bretter kann man nach geschmack in einem stück belassen, längere können geteilt werden. die richtigen sägewinkel bekommt man am einfachsten und schnellsten mit einer kapp- u. gehrungssäge oder einer handkreissäge hin.

bevor stamm und bretter gestrichen und endbehandelt werden, müssen nun noch die geteilten bretter gedübelt werden, gleiches gilt für die verbindung zwischen brettern und stamm (verleimt werden sie allerdings erst nach dem streichen und behandeln).

das finishing
soll keine produktwerbung sein. um den besonderen altholzcharakter zu erzielen, habe ich die rustikal-effekt-beize von clou gewählt.

soll keine produktwerbung sein. um den besonderen altholzcharakter zu erzielen, habe ich die rustikal-effekt-beize von clou gewählt.

soll keine produktwerbung sein. ich verwende es aber gerne.

soll keine produktwerbung sein. ich verwende es aber gerne.

die herausgearbeitete struktur und die antikbeize verleihen dem stück den typischen altholzcharakter für das baumregal.

die herausgearbeitete struktur und die antikbeize verleihen dem stück den typischen altholzcharakter. hier frisch nach dem ölauftrag.

nun geht es an die endbehandlung. ich habe mich für eine dunkle farbbeize und hartöl entschieden. verarbeitet wird nach den jeweiligen herstellerangaben.

entscheidet man sich für beize, stellt sich die frage, ob man echtbeize oder farbbeize verwenden möchte. mehr dazu HIER.

da beize aber nur die farbgebung bestimmt, braucht es im gegensatz zu z.b. lacken noch ein end-finishing (öl, wachs, klarlack).

die aufhängung
ein wenig schweißen...

ein wenig schweißen…

um den urigen, rustikalen charakter zu unterstreichen, werden anstelle von handelsüblichen regalstützen an die jeweilige brettform individuell angepasste, aus flacheisen geschweißte winkel verwendet.

dazu muss man kein schweißprofi sein. stabil und belastbar muss es schon sein, die erforderlichen winkelgrade sollten auch passen. aber eine etwas gröbere schweißnaht darf es schon sein. im grunde ist sie sogar ein detail des erwünschten vintage looks. möchte man es nicht selbst machen, einfach mal im freundes- und kollegenkreis nachfragen. alternativ kann man natürlich einige abstriche beim look & feel in kauf nehmen und auf fertige teile aus dem baumarkt zurückgreifen. daran soll es nicht scheitern.

für die winkel reicht als werkzeug ein winkelschleifer mit trennscheibe, ein elektrodenschweißgerät mit 2mm-dioden, eine bohrmaschine mit hss-bohrern (ein standgerät oder ständer erleichtert das bohren enorm) sowie etwas zum schleifen der kanten und grate.

die ungleichmäßige form der bretter macht eine individuelle anpassung der einzelnen winkel notwendig.

die ungleichmäßige form der bretter macht eine individuelle anpassung der einzelnen winkel notwendig.

wichtig dabei ist, dass die winkel wirklich gut und individuell auf das jeweilige brett abgestimmt sind. jedes einzelne brett hat seine ganz eigene wuchsform. etwas schmäler, breiter, leicht gebogen (alles, was von der uniformiertheit des baumarktangebotes abweicht, ist gut), manche werden an einer stelle an der wand anliegen, an der anderen vielleicht 5cm abstehen. auch die dicke sowie breite kann, darf und soll variieren. um die winkel nicht allzu sichtbar anzubringen, muss auch hier mit unterschiedlichen winkellängen gearbeitet werden. um auch belastbar zu sein, werden pro brett zwei winkel verwendet.

wichtig: sollte jemand keine schweißerfahrung haben, sollte man sich jemanden suchen oder sich eine alternative lösung aus dem baumarkt holen. erstens wird man nicht 200-300€ für die ausrüstung ausgeben, zum anderen besteht für ungeübte erhebliche verletzungsgefahr bis zum sogenannten “verblitzen“, was zu dauerhaften augenschäden führen kann. dann hat man zwar ein wunderbares bücherregal, kann die bücher aber nicht mehr lesen. auch nicht sinnvoll.

zusammenbau

am ende bleibt nur mehr der zusammenbau. zuerst die tramteile des stammes in der wand verankern. dafür sollten schon mächtigere schraubenkaliber aufgefahren werden. soll ja neben dem eigengewicht noch schwere (wissens)lasten tragen. die geteilten bretter zusammendübeln (holzleim in die dübellöcher schadet nie). dann die bretter und den stamm an den dübelstellen provisorisch zusammensetzen (aber noch nicht verleimen).

jetzt die richtige position für die zuvor geschweißten halterungen finden, in die wand verschrauben und die bretter endgültig mit dem stamm verbinden.

bleibt nur mehr die qual der wahl, jedem buch sein platzerl zu suchen. und mit dem junior abklären, ob sich hannah arendt, michail bulgakow und super mario untereinander auch verstehen als neue nachbarn…

viel spaß!